- Elektro- und Stachelhalsbandverbot seit 2022
- schmerzfreies Schutzhundetraining bei der Polizei erforderlich
- Soft-Sticks weiterhin im Einsatz
- Fokus auf positive Verstärkung: Lob, Futterbelohnung, Spiel
- gezielte Auswahl der Welpen und Umschulung: Sozialverhalten, Spielmotivation, Umweltstabilität
- Training mit Umweltreizen (Lärm, Stress, Menschenmengen)
- Tierschützer fordern Schutzhundeverbot auch für Polizei
- Bedenken wegen Gefahr für Mensch und Tier
- Polizei betont Tierwohl, Einsatzkontrolle und deeskalierende Wirkung der Hunde
- Polizei Niedersachsen sieht neues Ausbildungskonzept als erfolgreich
Seit Anfang 2022 ist die geänderte Hundeverordnung in Kraft. Ein wichtiges Merkmal daraus: In Paragraf 2 Absatz 5 steht darin festgeschrieben, dass es verboten ist, „bei der Ausbildung, bei der Erziehung oder beim Training von Hunden Stachelhalsbänder oder andere für die Hunde schmerzhafte Mittel zu verwenden.“
Das stellte die Polizei vor drei Jahren vor eine Herausforderung, denn bis dato war es gängige Praxis, genau diese Mittel bei der Ausbildung der Hunde einzusetzen. Die Folge: Einige Diensthunde mussten zunächst in den Zwangsurlaub geschickt werden. Und das, obwohl der Einsatz von Schmerzreizen oder Stachelhalsbändern nicht erst seit Inkrafttreten der novellierten Tierschutz-Hundeverordnung verboten gewesen sein soll, sondern bereits seit 1986, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund. Das ausdrückliche Verbot in der Novelle habe nur zur Klarstellung gedient.
Seit 3 Jahren: Keine Stachel- und Elektrohalsbänder mehr
Darum sträubten sich einige Bundesländer wie Niedersachsen, Hamburg, Schleswig Holstein, Berlin und Brandenburg gegen die neue Regelung. Sie wollten eine Ausnahme von dem Verbot erwirken und schmerzvolle Methoden wie Stachel- und Elektroschockhalsbänder weiterhin anwenden – allerdings ohne Erfolg. Seitdem hat man nicht mehr viel zu diesem Thema gehört. Doch wie hat sich das Training und der Arbeitsalltag der Polizeihunde seither verändert? Deine Tierwelt hat beim zuständigen Niedersächsischen Innenministerium nachgefragt.

Wir wollten wissen: Warum hat die niedersächsische Polizei damals für eine Ausnahme von dem Verbot gekämpft? Der Grund dafür, so Pressesprecher Max-Frederik Röhr: Zuvor wurden Diensthunde in einem Alter von bis zu drei Jahren angekauft.
Jedes individuelle Tier brachte eine unterschiedliche Sozialisierung und Erlebnisse in der Vergangenheit mit. Um bei den Einsätzen die uneingeschränkte Kontrolle bewahren zu können, seien hier in Teilen Führungshilfen – also Stachel- und Elektrohalsbänder – erforderlich gewesen. Daher hätten die Polizeibehörden nach der Rechtsänderung die Einsatzfähigkeit von einem Teil der Diensthunde infrage gestellt.
Was ist mit den ungeeigneten Diensthunden passiert?
Mareike Fieker, die damalige Sprecherin des Innenministeriums, sagte, dass die Hunde mit dem Verbot ihre „Verwendungszulassung“ verlieren würden, wenn sie die Prüfungen ohne Stachelhalsband nicht bestünden. Von der Verordnung betroffen gewesen seien bei der Polizeidirektion Hannover laut Sprecherin Natalia Shapovalova von 30 eingesetzten Diensthunden acht Hunde. Diese kämen nicht mehr in allen Situationen zum Einsatz. Sechs von ihnen konnten aber als Rauschgift- und Sprengstoffspürhunde weiterarbeiten.
Konkret seien zwei Hunde betroffen, da sie keine andere Einsatzmöglichkeit hatten. Die Diensthunde, die sich nicht für andere Ausbildungsansätze zugänglich zeigten, hätten aus dem Dienst genommen werden müssen und würden weiterhin bei ihren Diensthundeführern leben, erklärt Röhr. Ein Teil der Hunde habe sich für andere Ausbildungsansätze zugänglich gezeigt, konnte also erfolgreich „umgeschult“ und weiterhin eingesetzt werden.
Umschulen für Polizeihunde
Das „Umschulen“ nennt sich Rekonditionierung. Dabei soll das Erlernte gelöscht und neues Verhalten konditioniert werden. Laut Fieker dauere die Rekonditionierung drei bis fünf Jahre – was bedeuten würde, dass die ersten Hunde frühestens in diesem Jahr, spätestens 2027, ihre „Umschulung“ hinter sich gebracht haben sollten.

Doch die Dauer sei einzelfallabhängig und die Entscheidung über die Durchführung treffe die Polizeibehörde, so Röhr. Dabei spiele auch das Alter der Diensthunde vor dem Hintergrund des Zeitaufwandes für die Fortbildungsmaßnahmen eine Rolle. Ob und wie viele Diensthunde bislang tatsächlich erfolgreich rekonditioniert werden konnten, teilt der Sprecher nicht mit.
Nach welchen Kriterien werden die Diensthunde jetzt ausgewählt?
Nun kauft die Polizei Niedersachsen Welpen und nimmt so frühestmöglich Einfluss auf ihre Entwicklung und Ausbildung als Diensthunde. Anschließend können sie ab einem Alter von 18 Monaten die Zulassungsprüfung für Schutzhunde absolvieren. Erst nach bestandener Prüfung dürfen sie als Diensthunde eingesetzt werden. Wichtig: Die Hunde werden nicht nach Aggressivität und Härte ausgewählt. Das betont die Polizeihundestaffel Hannover, die Deine Tierwelt einen Tag beim Training besuchen durfte.
Stattdessen achte die Polizei Niedersachsen beim Ankauf von Diensthunden auf Kriterien wie der Gesundheitszustand der Hunde, das Sozialverhalten sowie die Umweltsicherheit und Spielmotivation, erklärt Röhr.
Da jeder Hund individuelle Charakterzüge aufweist, werden alle Eigenschaften zu einem Gesamturteil abgewägt, die erwarten lassen, dass die Hunde die Zulassungsprüfung zum Schutzhund bestehen werden und später auch bei ihrem Einsatz im Polizeidienst erfolgreiche Kollegen auf vier Pfoten sein werden.
„Die Erhöhung des Tierwohls ist zu begrüßen“
Dieses neue Vorgehen scheint sich nun bewährt zu haben. Denn aufgrund der Rückmeldungen aus den Polizeibehörden sei es nicht mehr notwendig, eine Ausnahme des Verbots und damit den Einsatz von Stachelhalsbändern bewirken zu wollen. „Die Erhöhung des Tierwohls ist zu begrüßen. Die entsprechenden Ausbildungsinhalte wurden gemäß der Rechtsverordnung angepasst“, teilt der Sprecher des Niedersächsischen Innenministeriums mit.
Tierschutzbund kritisiert Schutzhunde bei der Polizei
Der Deutsche Tierschutzbund hält die Zucht und Auswahl der eingesetzten Schutzhunde bei der Polizei für ein Problem. Die Tiere seien übermotiviert sowie sehr reaktiv und triebstark. Dadurch seien sie oft schwer durch ihre Diensthundeführer zu kontrollieren. Das habe der Vorfall in Riesa gezeigt.
Auch der Tierarzt Dr. Karim Montasser kritisierte den Vorfall und den Einsatz von Schutzhunden bei der Polizei und im Privatgebrauch in einem YouTube-Video. Denn die Anforderungen der Hunde stehe im Widerspruch: Die Hunde mit einer kurzen Zündschnur würden sich gut für das Angriffstraining eignen. Sie würden aber zum Problem, wenn sie einen kühlen Kopf und Ruhe in stressigen Situationen beweisen müssen.
In Riesa wurde ein Hund von seinem Hundeführer dazu gezwungen, einen Anti-AfD-Demonstranten zu beißen und weigerte sich. Ein anderer Diensthund griff ungewollt seinen Hundeführer an. Der Fall sorgte für große Kritik, Tierschützer warfen dem ersten Diensthundführer Tierquälerei vor.
Diensthunde der sächsischen Polizei werden vorwiegend als Welpen oder Junghunde der Rassen deutscher, belgischer und holländischer Schäferhund, Rottweiler, Bloodhound und bayerischer Gebirgsschweißhund im Alter von ein bis drei Jahren angekauft, teilt die Behörde auf ihrer Website mit.
Weiter heißt es dort: „Sie müssen temperamentvoll und triebstark sein und ein sicheres umgängliches Wesen haben. Schussgleichgültigkeit und ausgeprägte Härte und Stockunempfindlichkeit im Schutzdienst sind notwendig, um den Hundeführer im Ernstfall verteidigen zu können.“
Gewollte Leistungsmerkmale der Polizeihunde in Sachsen sind eine hohe jagdliche Motivation, vorhandene Aggressionsbereitschaft sowie hohe Umweltsicherheit und Ausdauer. Weiterhin sollen sie ausgeglichen und sozialisiert sein. Nach dem Sächsischen Polizeigesetz und nach der Begriffswahl in den Dienstvorschriften je nach Funktionsbeschreibung gelten die Hunde als Einsatz-, Hilfs- oder Zwangsmittel.
Auch im damaligen gescheiterten niedersächsischen Gesetzentwurf, der eine Ausnahme für den Einsatz von Strafreizen im Training bewirken sollte, habe es dem Tierschutzbund zufolge geheißen, dass die Diensthunde eine „hohe intrinsische Motivation im Beute-/Jagdverhalten und eine gewisse Bereitschaft, einen Konflikt über Aggressionsverhalten zu lösen“ mitbringen sollten. Und: „Die Hunde müssen zudem widerstandsfähig und energisch sein.“
Inzwischen haben sich die Anforderungen geändert. Auch zur Zeit der Diskussion um die Stachelhalsbänder untersagte das Tierschutzgesetz die Ausbildung zu aggressivem Verhalten – mit Ausnahme der Schutzhundeausbildung unter bestimmten Bedingungen.
Tierschutzbund: „Erfolgreicher tiergerechter Umgang ist möglich“
Zum Zeitpunkt der damaligen Debatte um eine Ausnahme vom Strafreizverbot teilte der Tierschutzbund mit: „In der Vergangenheit wurde immer wieder von tierschutzwidrigen Methoden in der Diensthundeausbildung berichtet.“ Eine Kontrolle der Diensthunde-Ausbilder gestalte sich trotz Sachkundenachweis in der Praxis schwierig. Der Tierschutzbund wünschte sich einheitliche Ausbildungsrichtlinien, die auf modernen Lerntheorien basieren.
Der Tierschutzbund warnt vor aversiven Trainingsmethoden, die auf Angst beruhen. Sie würden Vertrauen und Bindung zwischen Mensch und Hund zerstören. „Diese Hunde sind keine zuverlässigen Partner, sondern können nach dem Training erst recht gefährlich werden.“
„Aversive Trainingsmethoden können dabei sogar ursächlich für Verhaltensprobleme sein beziehungsweise diese noch verstärken“, so der Tierschutzbund. Neben der Tierschutzrelevanz würden diese Trainingsmethoden etliche Gefahren bergen, wie Verletzungsgefahr beim Anwender aufgrund eines möglichen Abwehrverhalten des Hundes, Gefahr der Fehlverknüpfung mit anwesenden Personen/-gruppen, bestimmten Orten, bestimmten Situationen und so weiter, teilen die Tierschützenden mit.
Der Tierschutzbund weiter: „Auch, wenn die Polizei bei Einsätzen zu jeder Zeit handlungsbereit sein und die Kontrolle über ‚ihre‘ Tiere haben muss, gibt es alternative, tierschutzkonforme Ausbildungsformen, auch für Schutzhunde. Ein erfolgreicher tiergerechter Umgang ist möglich. Diensthundeausbilder sollten sich hierfür öffnen, anstatt an alten Mustern festzuhalten.“
Ohne Schmerz: Wie trainiert die Polizei Niedersachsen Schutzhunde?
Wie genau sieht die aktuelle Ausbildung und das Training von Schutzhunden bei der Polizei Niedersachsen seit dem Verbot vor drei Jahren aus?
Zunächst müssen auch die Diensthundeführerinnen und -führer ausgebildet werden. Die diensthundführenden Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten (DHF) werden durch das Basisseminar für DHF beim „Zentralen Diensthundwesen der Polizei Niedersachsen“ (ZDHW) für ihre Aufgaben qualifiziert. Neben rechtlichen Inhalten ergänzen auch Lerntheorien diesen Lehrgang, dessen erfolgreicher Abschluss für eine Tätigkeit als „DHF“ erforderlich ist.
Rückblick: Um „scharfe“ Hunde aus Situationen mit hohem Erregungsniveau herauszuholen, wurden zuvor Zughalsbänder mit Notbremsen eingesetzt. Zum Beispiel bei Hunden, die gerade zubeißen und zu erregt sind, um einfach loszulassen. Dabei sollte ein kurzer Impuls – beispielsweise das Abschnüren der Luft, geholfen haben – als letztes Mittel.
Das kann nicht nur schmerzhaft für die Hunde ist, sondern auch gesundheitsgefährdend werden. Denn: Stachel- und Gliederhalsbänder üben einen permanenten und starken Druck auf den mittleren Teil des Halses aus, an dem relativ ungeschützt die Luftröhre, zwei große Blutgefäße (Hauptschlagader und Drosselvene) sowie zwei lebenswichtige Nerven (Nervus vagus und Sympathicus) verlaufen, so der Tierschutzbund.
Lob und Belohnung statt Schmerzen und Strafe
Wir wollten es genau wissen: Schafft es die Polizei nun auch ohne gewaltvolle, schmerzhafte Mittel und ohne Bestrafung, die zubeißenden Hunde zu stoppen? Welche Mittel oder Techniken kommen bei der neuen Ausbildung und im Dienst zum Einsatz?
„Durch die dargestellte Umstellung der Ausbildung und den überwiegenden Ankauf von Welpen hat sich insbesondere die sogenannte ‚Futterhandführung‘ als sehr effektiv erwiesen“, erläutert Innenministerium-Sprecher Röhr. Statt auf Schmerzen und Strafe setzen die Hundeführer nun auf Lob und Belohnung, um die Hunde durch positive Erfahrungen dazu zu motivieren, das gewünschte Verhalten zu wiederholen: „Zudem ist seit jeher die positive Verstärkung zentraler Baustein der Ausbildung von Diensthunden der Polizei Niedersachsen“.

Nach heutigem Wissensstand lernen Hunde viel nachhaltiger und leichter, wenn sie für erwünschtes Verhalten belohnt werden, stellt der Deutsche Tierschutzbund heraus. Diese Form des Trainings stärke zudem die Bindung zwischen Hund und Halter.
Klappt Schutzhundetraining wirklich komplett ohne Schmerzen?
Doch kommt die Polizei nun nur mit reiner positiver Verstärkung aus oder werden Hunde weiterhin bestraft – und falls ja, wie? Hier verweist Röhr darauf, dass „eine pauschalisierte Aussage aufgrund der hohen Individualität nicht möglich“ sei. „Die Ausbildung von Diensthunden setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelschritten zusammen“, erklärt Röhr. „Diese bauen aufeinander auf und werden letztlich zu Handlungsabläufen zusammengeführt. Das individuelle Wesen der Diensthunde ist dabei maßgeblich für die konkrete Umsetzung der Einzelschritte.“
„Es geht bei der Ausbildung der Hunde nicht darum, den Hunden Schmerzen zum Beispiel durch Schlagen oder Treten zuzufügen“
Dennoch betont Röhr: „Es geht bei der Ausbildung der Hunde nicht darum, den Hunden Schmerzen zum Beispiel durch Schlagen oder Treten zuzufügen. Deshalb werden die Diensthunde sogenannten Umweltreizen ausgesetzt (wie zum Beispiel Schussgeräuschen, laute Geräuschen, Brüllen aus Menschenmenge, etc.), um die Hunde auf hochstressige Einsätze mit entsprechendem Widerstand durch das polizeiliche Gegenüber vorzubereiten.“
Denn der Job als Polizei- und speziell als Schutzhund ist kein Zuckerschlecken. Es kommt vor, dass Diensthunde im Einsatz oder im Training verletzt oder gar getötet werden. Doch wie behalten die Hundeführer die Kontrolle über die Hunde in solch stressigen Situationen?
Wie behalten Diensthundeführer die Kontrolle?
„In Niedersachsen verfolgen wir auch weiterhin das Ziel, die bisherige Ausbildung und den Einsatz von Diensthunden aufrecht zu erhalten, um gleichermaßen eine tierschutzkonforme Ausbildung von Diensthunden und sichere, beherrschbare Einsatzlagen im Land durch die Polizei gewährleisten zu können“, sagt Röhr.
Die Diensthundeführer kennen die Rechtslage und wissen, was erlaubt ist und was nicht. Sie werden im tierschutzgerechten Umgang mit den Hunden geschult.

Um die Hunde auf eine mögliche gewaltvolle Gegenwehr der angegriffenen Person vorzubereiten, trainieren die Diensthundeführer mit ihnen für den Ernstfall. Durch äußere Einflüsse (wie zum Beispiel Schläge) darf sich ein Diensthund nicht von dem gewünschten Verhalten (zum Beispiel, den Täter zu beißen) abbringen lassen.
Der Sprecher des Innenministeriums erklärt: „Dafür können zu einem individuell zu bestimmendem Zeitpunkt sogenannte ‚Soft-Sticks‘ genutzt werden. Dabei handelt es sich um Nachbildungen von ‚Stöcken‘, die eine Schaumstoffummantelung besitzen, um eine Verletzung der Diensthunde auszuschließen. Sinn ist hierbei nicht das Hervorrufen von Schmerzen oder Verletzungen, sondern das Ausblenden von Berührungen und Ablenkungen.“
Den Einsatz von Gummi-Schlagstöcken beziehungsweise gepolsterten Trainingsstöcken entspreche laut Tierschutzbund ebenso wie Stachelhalsbänder und Kettenwürger nicht modernen Standards und sei keine tierschutzgerechte Methode.
Schutzhunde: Gefahr für Hund und Mensch?
Die bei der Polizei eingesetzten Hunde wie Belgische (Malinois) oder Deutsche Schäferhunde sind für ihren hohen Beute- und Schutztrieb und ihre Intelligenz bekannt. Sie haben einen hohen will to please – wollen also ihren Menschen gefallen, haben aber auch ihren eigenen Kopf. Außerdem wollen und müssen sie arbeiten, um richtig ausgelastet zu sein. Das Gehorsams- und Unterordnungstraining gehören zu den wöchentlichen Trainingseinheiten dazu.
Auch die Hunde selber können im stark erregten Zustand gefährlich werden. Schließlich wird ihnen antrainiert, dass fremde Personen potenzielle Täter sein könnten. Auf Befehl ihres Hundeführers stellen sie den potenziellen Täter durch Anbellen und greifen im Notfall auch an und beißen zu. Das nennt man „Zivilschärfe“.
Eine pauschalisierte Einstufung in die Kategorien „nicht scharf“, „scharf“ oder „wirklich scharf“ sei aber nicht vorgesehen, so Röhr. Vielmehr müsse die Art des Einsatzes auch immer verhältnismäßig sein. „Die Diensthunde können dazu beitragen, Dritte, auch tatausführende Personen, und Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte zu schützen“, klärt der Sprecher auf. Und: „So entfalten Diensthunde einen enormen deeskalierenden Effekt.“
Auf Befehl muss der Hund dann auch wieder vom mutmaßlichen Täter ablassen. Doch das gelingt nicht immer. In solchen Fällen kamen zuvor die Stachel- und Elektrohalsbänder zum Einsatz.
Unkontrollierbare Diensthunde müssen gehen
Was passiert jetzt, wenn ein Hund sich festbeißt und selbst auf Kommando nicht mehr loslässt? „Diensthunde werden mit ihren DHF in den Polizeibehörden kontinuierlich fortgebildet“, erklärt Röhr. „Werden signifikante Defizite im Gehorsam der Tiere festgestellt, ist die Einsatzfähigkeit der jeweiligen Diensthunde in Frage zu stellen.“
Auch hier müsse für das Tier eine individuelle Einschätzung getroffen werden. Falls sich der Gehorsam des Hundes aber trotz weiteren Trainings nicht verbessere, müsse er aus dem Polizeidienst ausscheiden.

Was passiert mit ungeeigneten Hunden nach Ausscheiden aus dem Dienst?
Für die Abgabe der „entlassenen“ Diensthunde sind die Polizeibehörden verantwortlich. Diensthunde, die „in Rente gehen“, verbringen weit überwiegend bei ihren Diensthundeführern den Lebensabend. Dort leben die Diensthunde ohnehin schon und seien „grundsätzlich in das Alltags- und Familienleben der DHF integriert, werden artgerecht gehalten und versorgt“. Und: Das Land Niedersachen übernimmt mit einem Pflegevertrag die anfallenden Tierarztkosten – auf Lebenszeit des Diensthundes.
Diensthunde, die während der Ausbildung als nicht geeignet für eine Verwendung in der Polizei Niedersachsen eingeschätzt werden, können an andere Behörden abgegeben werden – und zum Beispiel als Spezialhund eingesetzt werden.
Täter von Diensthund verletzt oder getötet – Was dann?
Wird eine Person infolge polizeilicher Maßnahmen verletzt, wird grundsätzlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dabei soll geprüft werden, ob das polizeiliche Vorgehen in dem jeweiligen Einzelfall rechtmäßig gewesen ist, erklärt der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. Es sei kein Fall bekannt, bei dem durch einen Diensthund der Polizei Niedersachsen eine Person getötet worden ist, so Röhr.
Diensthunde-Angriffe auf Unbeteiligte
In der Vergangenheit hat es immer wieder Verletzungen von Unbeteiligten durch Diensthunde gegeben. Selbst Kinder waren betroffen. Im August 2024 biss ein Diensthund ein zwei Monate altes Baby in Rheinland Pfalz, berichteten unter anderem „Focus Online“ und „SZ“. Ende September 2023 griff ein Polizeihund in NRW unvermittelt eine Seniorin auf einem Parkplatz an, der Hundeführer wurde der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen und verwarnt, berichtete der „WDR“.
Mit welchen Präventivmaßnahmen versucht die Polizei, solche Vorfälle zu vermeiden? „Die DHF und die Polizeibehörden haben dafür Sorge zu tragen, dass Diensthunde keinen Dritten ungewollten Schaden zufügen. Die Polizeibehörden können ergänzende Maßnahmen verfügen“, teilt Röhr mit.
Einfach selbst Entscheidungen treffen und ohne Kommando ihres DHFs Menschen anzugreifen, dürfen die Diensthunde nicht, stellt er klar. Auch wenn das laut einem Bericht über die Gerichtsverhandlung zu dem Fall der angegriffenen Seniorin der betroffene Diensthundeführer behauptet haben soll. „Die Diensthunde der Polizei Niedersachsen werden so ausgebildet, dass ihre Handlungen grundsätzlich auf Veranlassung beziehungsweise nach Freigabe der jeweiligen DHF erfolgen“, betont der Sprecher.
Übrigens: Wann man nach einem Biss von einem Polizeihund Anspruch auf Schmerzensgeld hat, verrät Tierrechtsanwalt Andreas Ackenheil.
„Hunde sind keine Waffen“
Bei einer Sache sind sich Tierschützende und die Polizei sogar einig: „Hunde sind keine Waffen“, sagen die Tierschützer. Auch das niedersächsische Innenministerium argumentiert, dass sie das laut Niedersächsischen Polizeigesetz (NPOG) nicht seien.
Wie in Nordrhein-Westfalen gelten Diensthunde auch in Niedersachsen wiederum als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ und stehen auf einer Stufe mit Wasserwerfern und Pfefferspray. Unterschieden wird beim „unmittelbaren Zwang“ zwischen Waffen, körperlicher Gewalt und ihren Hilfsmitteln. Als Waffen sind Elektroimpulsgerät, Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen.
Diensthunde – ist das überhaupt noch zeitgemäß?
Femke Hustert von der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ sagte im Januar 2023 gegenüber dem „MDR“: „Also aus unserer Sicht ist der Einsatz von Schutzhunden eigentlich generell abzulehnen, die Hunde sind ja auch im Einsatz, im aktiven Dienst, immer wieder in Gefahrensituationen, wo sie Gewalt erfahren, wo sie Schmerzen erleiden oder wo sie mit sehr hohen Stresssituationen konfrontiert sind.“ Wie gefährlich Diensthunde leben, zeigt zum Beispiel dieser Vorfall aus Hamburg: Polizeihund Haix wurde niedergestochen, überlebte aber dank Not-OP.
Thomas Baumann war lange Ausbildungsleiter der Polizeihundeschule Sachsen und vertrat die deutsche Polizei in Sachen Diensthunde bei der internationalen Kriminalpolizeiorganisation Interpol. Er sagt, es komme darauf an, was das Ziel der Ausbildung sein soll: „Wollen wir kompromisslose, explosive Hunde? Dann lässt sich eine völlig schmerzfreie Ausbildung kaum umsetzen“, erklärt er. Und führt fort: „Sind auch Hunde akzeptabel, die etwas weicher sind und nicht bedingungslos draufhalten? Dann können wir auf eine Art ausbilden, die eher zeitgemäß ist.“
Diensthunde in Niedersachsen: „Ausbildung hat sich bewährt “
Wir haben das Niedersächsische Innenministerium gefragt: Was ist das Ziel der Polizei Niedersachsen? Die Antwort: „Die Aus- und Fortbildung von Diensthunden und diensthundführenden Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten in der Polizei Niedersachsen hat sich bewährt. Dieses hohe Niveau zu halten und im Rahmen des Möglichen weiter auszubauen stellt sich als wünschenswertes Ziel dar.“
Tierschützer fordern Schutzhundeverbot
Für Privatpersonen ist in Österreich seit dem 15. April 2025 jede Ausbildung von Hunden, die aggressive Verhaltensweisen wie Beißen oder Angriffsverhalten fördert, verboten. Das schließt auch das Schutzhunde-Training im privaten Bereich mit ein.
Die Tierrechtsorganisation „Peta“ und Hundeexperte Martin Rütter fordern nun ein solches Verbot auch für Deutschland. Rütter wünscht es sich zudem auch für die Polizei. Doch es gibt auch Gegenstimmen: Sie erachten einen Fokus auf Kontrolle statt Verbot als sinnvoller.



