Hunde lieben es zu kauen. Es beruhigt, beschäftigt und stärkt das Gebiss, so zumindest die Theorie. Viele Halter greifen daher zu Kauknochen, getrockneten Hirschgeweihen oder sogenannten Dentalsticks. Doch die Praxis zeigt: Genau diese Produkte können schwerwiegende Schäden anrichten.
Beschädigter Zahnschmelz kann sich nämlich nicht regenerieren und schon kleinste Mikrorisse führen zu einem erhöhtem Risiko für größere Frakturen. Zusätzlich können bestimmte Rohhautartikel Rückstände enthalten, die Vergiftungen auslösen. Halter sollten deshalb vorsichtig wählen.
Wenn der Kauspaß zum Zahnarzt führt
Die US-amerikanische Tierärztin Dr. Rebecca Greenstein erlebt das regelmäßig in ihrer Praxis. Wenn ein Knochen härter ist als ein Zahn, gewinnt immer der Knochen und der Zahn bricht, erklärt sie gegenüber der „HuffPost“. Besonders häufig betroffen: die großen Backenzähne. Die Folge: Haarrisse, Frakturen, Entzündungen – und oft starke Schmerzen.
Viele Hunde zeigen erst spät Symptome. Sie hören auf zu fressen, kauen nur noch einseitig oder wirken plötzlich träge, so Greenstein. Auch ein verändertes Spielverhalten kann ein Hinweis auf Probleme sein. Die kanadische Veterinärmedizinerin Dr. Maria Soltero-Rivera von der „University of California“, berichtet, dass rund ein Viertel der Hunde, die in ihrer Praxis landen, Zahnfrakturen haben. Oft, ohne dass die Halter es wissen.
Zahnaufbau wie beim Menschen
Dass Zähne so empfindlich reagieren, hat biologische Gründe. Hundezähne bestehen, wie menschliche, aus Zahnschmelz, Dentin und einer empfindlichen Pulpa im Inneren. Wenn der Schmelz durch harte Gegenstände beschädigt wird, liegt die Pulpa teilweise frei und Nerven und Blutgefäße werden gereizt, was starke Schmerzen verursacht.

Die deutsche Wissenschaftlerin Jessi Farger erklärt, dass die Zähne des Hundes im Grunde wie unsere eigenen aufgebaut sind. In einem Instagram-Video gibt sie praktische Tipps, wie Halter das passende Kauspielzeug für ihre Fellnasen auswählen können. Dabei empfiehlt sie ganz einfache Fragen, die Besitzer sich vor dem Kauf selbst stellen sollten.
So wählst Du den richtigen Kauknochen
Weil die Zähne des Hundes den menschlichen so ähnlich sind, sollten Halter sich als Erstes fragen, ob sie selbst gerne auf dem ausgewählten Kauknochen herumkauen würden. Wenn die Antwort sofort „nein“ lautet, warum sollte dann die Fellnase Lust auf das vermeintliche Leckerli haben? Kommt ein Artikel im Tiergeschäft in die nähere Auswahl, folgt die zweite Frage: Kann ich das Produkt mit dem Fingernagel leicht eindrücken?
Lautet die Antwort „nein“, ist der Kauknochen höchstwahrscheinlich zu hart für das Hundegebiss. Besonders kritisch seien zum Beispiel getrocknete Hirschgeweihe, die extrem hart sind. Sie können nicht nur Mikrorisse in den Zähnen verursachen, sondern auch den Zahnschmelz dauerhaft schädigen. Die Folgen: Entzündungen, Wurzelvereiterungen und im schlimmsten Fall Zahnverlust.
Vergiftungen durch Kauartikel: Das Werwolf-Syndrom
Viele Kauartikel sehen harmlos aus: natürlich, unbehandelt und gesund. Doch die Realität ist oft eine andere. Laut Farger ähnele die Herstellung mancher Produkte der Lederverarbeitung: Die Tierhaut wird chemisch gereinigt, gebleicht und gepresst. So entstehen Produkte, die zwar appetitlich aussehen, aber mit Chemikalien belastet sein können. Und genau diese könnten noch ein anderes Risiko bergen.

Im Sommer 2024 machten Berichte über das sogenannte Werwolf-Syndrom bei Hunden Schlagzeilen: Tiere zeigten plötzlich neurologische Ausfälle, Panikattacken und Krampfanfälle. Erste Untersuchungen deuteten darauf hin, dass Rohhaut-Kauknochen mit einem verbotenen Bleichmittel behandelt worden sein könnten. Das Unternehmen „Zooplus“ zog daraufhin betroffene Produkte zurück und kündigte an, komplett auf Rohhautprodukte zu verzichten.
Große Hunde, großes Risiko
Zahnfrakturen treten laut Greenstein besonders häufig bei größeren Rassen auf. Der Grund: Ihre kräftigen Kiefer entwickeln enorme Kaubelastungen. Labradore, Schäferhunde oder Rottweiler brechen sich deshalb überdurchschnittlich oft die Zähne, gerade wenn sie mit sehr harten Objekten spielen oder kauen.
Aber auch ältere Hunde sind gefährdet, weil ihre Zähne durch Zahnstein und Entzündungen bereits geschwächt sein können. Halter sollten das Kauverhalten ihres Hundes generell gut beobachten. Wenn die Fellnase einseitig kaut, weniger frisst oder sich das Maul reibt, sollte ein Besuch beim Tierarzt in Erwägung gezogen werden. Mit einer Röntgenaufnahme lassen sich unsichtbare Schäden erkennen.
Sicher kauen statt schmerzhaft leiden
Ganz auf Kauartikel verzichten müssen Hunde aber nicht. Es gibt Alternativen, die deutlich risikoärmer sind: Zum Beispiel weiche Kaustreifen, Dentalsticks oder Kauspielzeug aus Naturkautschuk (Affiliate-Links) oder Nylon, das nachgibt, aber nicht splittert.
Die wirksamste Zahnpflege für Hunde ist laut Experten aber nach wie vor regelmäßiges Zähneputzen mit spezieller Hundezahnpasta – entweder mit einer Zahnbürste für Hunde beziehungsweise Welpen oder einer weichen Zahnbürste für Kinder oder speziellen Fingerlingen (Affiliate-Links).




