Fellnase Billy, der klassische Musik liebt und regelmäßig Konzerte von seinen Menschen einfordert. Der kleine Bradford, der mit seinem Frauchen ein sechsbeiniges Klavier-Duett bildet. Oder Basset Hound, der Klavier spielt und dazu „schaurig schön“ jault. Musikalische Hunde, vor allem wenn sie singen, erfreuen sich in den Sozialen Medien größter Beliebtheit, ihre entsprechenden Videos werden tausendfach angeklickt. Das gilt aber nicht nur für Fellnasen, sondern auch für Samtpfoten, wie Kater Limón eindrucksvoll auf TikTok beweist.
Jedes Frauchen und jedes Herrchen sind natürlich überzeugt davon, dass ihr tierischer Freund ein wahres musikalisches Genie ist. Und es liegt oft nur an der Ignoranz des Nachbarn, dass der pelzige Künstler sein wahres Potenzial nicht voll ausschöpfen kann. Denn meistens erkennen die Mitmenschen einfach nicht, dass das rhythmische Heulen und Jaulen keine Lärmbelästigung, sondern wahre vierbeinige Kunst sind.
Doch haben die lärmgeplagten Nachbarn vielleicht doch recht? Jaulen Hunde nur deshalb zur Musik, weil sie dazu gehören wollen, weil sie ihr „wölfischer“ Instinkt dazu antreibt oder weil sie einer bestimmten Rasse angehören? Nachfolgend geht Deine Tierwelt diesen Fragen nach und erklärt Dir, warum viele Hunde bei Musik „schaurig schön“ und laut mitsingen beziehungsweise mitheulen. „Immer wieder begegnet man Hunden, die durchaus begeistert von Musik sind und ‚mitsingen’, wenn wir Saxophon spielen“, berichtet „Saxophonic“. Sogar Mozart soll so eine musikbegeisterte Fellnase gehalten haben.
Darum heulen Hunde überhaupt — nicht nur zur Musik
Fellnasen heulen aus vielen Gründen. Einige Vierbeiner heulen oder jaulen, um Aufmerksamkeit zu bekommen (gelingt das, verstärkt sich dieses Verhalten). Andere jaulen, um ihre Irritation über einen bestimmten äußeren Reiz auszudrücken, wie beispielsweise eine laute Sirene. Und wiederum andere Fellnasen jaulen als ein Zeichen von großem emotionalen Stress. Wenn sie zum Beispiel zu lange alleine sind und an Trennungsangst leiden. Manche Hunde heulen auch aus Langeweile oder Kontrollverlust, sagt Hundetrainerin Manuela Albrecht gegenüber „TierWelt.ch“.
Stimmen Hunde bei den schrillen tönen von Sirenen, Kirchenglocken oder Musik heulend mit ein, nennt man das „Kontaktheulen“, erklärt die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Die Töne haben eine ähnliche Frequenz wie das Heulen der Vierbeiner, so werde das genetische Erbe instinktiv wachgerüttelt, erklärt Albrecht. Mit dem „Kontaktheulen“, wollen Hunde ihre Solidarität zum Rudel und die soziale Bindung stärken. Das fühle sich für die Hunde positiv an, sagt die Hundetrainerin aus St. Gallen.
Dr. Zachary Silver, Professor für Psychologie und Direktor des „Caine Intelligence Lab“ am Occidental College erklärt gegenüber der Online-Tierzeitschrift „Kinship“, dass Hunde ihre Fähigkeit, zu vokalisieren, dazu nutzen, um ihre Gedanken und Ideen an den Menschen weiterzugeben. Sei es durch Bellen, Winseln oder eben Jaulen. Sie verstärken dadurch die gegenseitige soziale Bindung.
Der Professor ergänzt, dass Hunde, wenn sie als Reaktion auf Musik anfangen zu jaulen, damit sagen wollen: „Ich bin mir bewusst, was vor sich geht. Und entweder möchte ich beteiligt sein oder ich möchte, dass dieser Lärm aufhört.“
Das „Caine Brains Project“
Seit 2020 untersucht das „Caine Brains Project“ am „Harvard Hecht Lab“ in ihrer „Heul-Studie“, warum Hunde zu Musik jaulen und ob die Fellnasen dazu in der Lage sind, die Tonhöhe ihres Jaulens je nach Art der Situation bewusst anzupassen. Dafür sammelten die Wissenschaftler Daten von Hundebesitzern, deren Hunde schon auf bestimmte Geräusche – wie Musik oder Sirenen – mit Jaulen und Heulen reagieren.
Die Teilnehmer wurden gebeten, Umfragen auszufüllen: Welche Rasse ihr Hund hat, in welchem Zusammenhang das Jaulen auftritt und welche Geräusche es auslöst. Anschließend erhielten sie veränderte Versionen dieser Auslöser. Also Tonaufnahmen, die entweder höher oder tiefer abgespielt wurden. Die Besitzer sollten dann die Reaktionen ihrer Fellnasen filmen, um herauszufinden, ob die Vierbeiner ihre eigene Jaul-Tonhöhe entsprechend anpassen.
Aus den bisher rund 700 Rückmeldungen konnten die Forscher ableiten, welche Hunderassen besonders jaul-freudig sind, wie gut sie die Tonhöhe treffen, in welchen Situationen das Heulen am häufigsten vorkommt und welchen Einfluss die Domestizierung auf dieses Verhalten gehabt haben könnte.
Je mehr Wolf in den Genen steckt, desto eher jaulen Hunde
Seit jeher spielt das Jaulen und Heulen eine zentrale Rolle in der Kommunikation von Wölfen. Es dient dazu, um über weite Distanzen Kontakt zu halten. Es soll den Zusammenhalt innerhalb des Rudels stärken. Und es wird geheult, um das eigene Territorium gegenüber fremden Gruppen zu verteidigen.
Interessanterweise können Wölfe dabei sogar gezielt bestimmte Tonhöhen treffen. Sophie Barton, Forscherin am „Caine Brains Project“, erklärt ebenfalls gegenüber „Kinship“: „Mitunter verändern Wölfe bewusst ihre Tonhöhe. Entweder, um wie eine größere Gruppe zu klingen. Oder um sich als individuelle Tiere voneinander zu unterscheiden.“
In freier Wildbahn kommen Wölfe jedoch kaum mit Musik in Kontakt – ganz im Gegensatz zu unseren heutigen Haushunden. Dr. Silver erklärt, dass jaulende Reaktionen besonders häufig bei urtümlichen Hunderassen wie Huskys oder Jagdhunden zu beobachten sind. Diese stehen genetisch noch näher am Wolf als modernere oder speziell im viktorianischen Zeitalter gezüchtete Rassen wie Retriever oder Terrier.
Prof. Dr. Silver vermutet daher, dass „die Heulbereitschaft der Hunde dieser Rassen zur Musik darauf schließen lässt, dass sie eine evolutionär verankerte Neigung zum Jaulen besitzen. Eine ursprünglich instinktive Verhaltensweise, die sich heute in einem modernen Umfeld zeigt.“
Domestizierung, Zucht und soziale Bindung sind entscheidend
Aus den Umfragen geht hervor, dass vor allem ursprüngliche Hunderassen Huskys, Shiba Inu oder Salukis häufiger jaulen. Dagegen zeigen moderne Rassen, die weiter weg vom Wolf sind, dieses Verhalten deutlich seltener. Für Sophie Barton ist das ein Hinweis darauf, dass das Heulen im Laufe der Domestizierung und der Zucht stark verändert und zum Teil sogar verdrängt wurde.
Moderne Hunderassen neigen dazu, weniger zu jaulen, aber dafür mehr zu bellen. Diese Rassen kommunizieren eher über kurze Distanzen, anstatt wie ihre Vorfahren über weite Strecken. Außerdem konnte Barton feststellen, dass „manche Hunde ihre Heultöne anpassen können – aber das gilt längst nicht für alle.“
Die Umfrageergebnisse des „Caine Brains Project“ haben erstaunlicherweise gezeigt, dass viele Hunde eher aus emotionalen Gründen jaulen, etwa wenn sie von ihrer Bezugsperson getrennt sind, als auf akustische Reize wie Musik oder Sirenen.
Bei der Auswertung konnten die Wissenschaftler außerdem feststellen, dass bei den Fellnasen, die auf Geräusche reagieren, das Verhalten oft spezifisch ist. Manche Hunde reagieren nur auf Live-Musik, nicht aber auf Aufnahmen. Ein Beispiel: Ein Hund jault bei Klavier-Musik nur dann mit, wenn Frauchen oder Herrchen auf dem Instrument spielen. Für Barton ist dies ein möglicher Hinweis darauf, dass auch die soziale Bindung zum Menschen eine Rolle beim Jaulen spielt.
Besonders Töne im hohen Frequenzbereich – wie Operngesang, Flöten oder Geigen – können bei Hunden das Jaulen und Heulen auslösen. Denn diese Klänge ähneln den Heullauten anderer Hunde oder denen von Wölfen. Manche Musikstücke haben auch einen anhaltenden, sirenenähnlichen Klang, was so manche Fellnase dazu veranlasst, jaulend mit einzustimmen. Bei welcher Musikrichtung sich Dein pelziger Freund dagegen entspannen kann, erfährst Du hier.
Fazit: Darum jaulen Hunde zur Musik
Wenn Hunde zur Musik jaulen oder heulen, ist das kein Zeichen von Schmerz oder Unwohlsein (ganz im Gegensatz zum Menschen bei so manchem Musik-Genre), sondern ein Mix, bestehend aus natürlichen Instinkten, akustischer Wahrnehmung, emotionaler Beteiligung und sozialer Bindung.
Sobald Du also den ersten Ton anschlägst und Dein pelziger Mitbewohner stimmt jaulend und heulend mit ein, lass ihn an der „Jam-Session“ teilnehmen. Ob er nun seinem uralten Instinkt folgt oder einfach die gemeinsame Zeit genießt – oder vielleicht beides. Sein Jaulen ist ein Zeichen dafür, dass er mit dabei sein will. Und auch für Dich bedeutet das echte „Quality-Time“ mit Deinem domestizierten Vierbeiner, in dem noch immer ein kleiner Wolf steckt.
Reagiert Dein Hund konstant unruhig oder ängstlich auf Musik, empfiehlt „Hundundhaustier“, die Musik zu ändern oder zumindest leiser zu stellen. Bieten ihm eine ruhigen Rückzugsort. Schließlich verfügen die Vierbeiner über ein extrem feines Gehör. Sollte das Heulen Deines Hundes zum Problem werden und sich zum Beispiel Deine Nachbarn darüber beschweren, solltest Du versuchen, es ihm auf positive Art und Weise abzugewöhnen. Bei extremem Trennungsstress solltest Du eine Hundetrainerin oder –Trainer zurate ziehen.
Wie Dich das Jaulen Deines pelzigen Freundes beeinflusst, erfährst Du hier.



