Nur wenige Tage nach der Geburt ihres ersten Wurfs stellte Tigermutter Yushka im Zoo Leipzig die Fürsorge für ihre drei Jungen ein. Anfangs hatte sie instinktiv gehandelt, die Neugeborenen gesäubert und ihnen das Säugen ermöglicht. Doch bereits am zweiten Tag nach der Geburt wandte sie sich von den Jungtieren ab.
Nach Angaben des Zoos drohten die Tigerbabys ohne mütterliche Versorgung zu verhungern. Eine Handaufzucht lehnten die Verantwortlichen mit Hinweis auf eine artgerechte Haltung ab. Stattdessen entschied man sich, die Jungtiere einzuschläfern. Der Fall sorgt für Diskussionen.
Zoo Leipzig schläfert Tigerbabys ein
Die Amurtigerin zeigte in den ersten Stunden nach der Geburt noch vorbildliches Verhalten: Sie leckte die Neugeborenen trocken, wärmte sie und ließ sie säugen. Doch nur einen Tag später änderte sich das Bild deutlich. Yushka habe sich zunehmend zurückgezogen und die Jungtiere sich selbst überlassen. Ohne den Kontakt zur Mutter verloren die Kleinen schnell an Wärme, Energie und Lebenskraft, berichtet der „MDR“.
Laut Zoo-Tierarzt führte die Abnahme der Aktivität der Jungen dazu, dass bei der Mutter kein Reiz mehr zur Versorgung oder Milchbildung entstand. Dadurch wuchs die Gefahr eines raschen Hungertodes. Zoodirektor Jörg Junhold erklärte gegenüber dem Sender, das Verhalten sei bei unerfahrenen Müttern in freier Wildbahn nicht ungewöhnlich.
Dennoch sei es aus menschlicher Sicht eine emotionale Entscheidung gewesen, den Nachwuchs einzuschläfern. Man habe bewusst gewartet, ob sich Yushkas Fürsorge wieder einstelle, um ihr die Chance zu geben, Erfahrungen zu sammeln. Da dies nicht geschah, habe man die Verantwortung übernehmen müssen. Eine Handaufzucht sei ausgeschlossen worden, weil man Fehlprägungen vermeiden und die natürlichen Verhaltensweisen erhalten wolle.
Tierschützer üben scharfe Kritik
Die Tierrechtsorganisation „Peta“ reagierte empört auf die Entscheidung des Zoos und kündigte an, Strafanzeige zu stellen. Fachreferent Peter Höffken warf den Verantwortlichen vor, dass Zuchtprogramme in Zoos keinen Beitrag zum Erhalt bedrohter Arten leisten. Tiere in Gefangenschaft könnten nicht ausgewildert werden und zeigten häufig Verhaltensstörungen, unabhängig von der Aufzuchtmethode. Der wiederholte Ausfall von Muttertieren sei ein typisches Phänomen der Gefangenschaft, das auf unnatürliche Bedingungen zurückzuführen sei.
Die Tierschützer fordern, die Zucht von Tigern in Zoos sofort zu beenden und stattdessen echte Artenschutzprojekte in den natürlichen Lebensräumen der Tiere zu fördern. Höffken bezeichnete die Zurschaustellung von Jungtieren als reine Publikumsattraktion, die vor allem wirtschaftlichen Interessen diene. Millionenbeträge aus Steuergeldern sollten seiner Ansicht nach nicht mehr in den Betrieb von Zoos fließen, sondern in Maßnahmen, die Lebensräume sichern.
Laut Natalia Borrego, einer Forscherin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Koblenz für Großkatzen wie Löwen und Tiger, kann eine Handaufzucht unter den richtigen Bedingungen gelingen und die Tiere sogar erfolgreich ausgewildert werden, so der „MDR“. Damit das funktioniert, seien „hochqualifiziertes Personal, geeignete Einrichtungen und eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ erforderlich.
Diskussion um Zoos
Der Fall im Leipziger Zoo reiht sich in eine Reihe umstrittener Entscheidungen ein, die in den vergangenen Jahren die öffentliche Debatte über Tierhaltung in Zoos angeheizt haben. So sorgte 2023 die Schlachtung eines gesunden Zebra-Hengsts für Schlagzeilen, der anschließend an Löwen verfüttert wurde. Damals hatte der Zoo erklärt, für das Tier habe sich kein Platz in einer anderen Einrichtung finden lassen.
Kritiker warfen den Verantwortlichen jedoch vor, den wirtschaftlichen Betrieb über das Tierwohl zu stellen. Auch andere deutsche Zoos waren zuletzt Ziel von Protesten. Ende Juli 2025 tötete der Nürnberger Tiergarten zwölf gesunde Paviane aus Platzgründen, was bundesweit Empörung hervorrief. Vor dem Tiergarten versammelten sich Demonstranten, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Der Vorfall in Leipzig dürfte die Diskussion um ethische Standards, den Zweck von Zuchtprogrammen und die Frage, ob Wildtiere in Gefangenschaft überhaupt artgerecht gehalten werden können, weiter befeuern.



